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Die Preisträger:innen 2023

In Köln ist am Abend erstmals der „Kölner Recherchepreis“ für junge Journalistinnen und Journalisten unter 35 verliehen worden.

Den ersten Preis erhielt Rebecca Singer (Rheinpfalz / rheinpfalz.de) für einen siebenteiligen Podcast über die Flugschau-Katastrophe von Ramstein im Jahr 1988 mit 70 Toten und 500 Verletzten. Nach Ansicht der Jury ist es Singer nicht nur gelungen, die Chronologie eines bis dahin beispiellosen Unglücks detailliert nachzuzeichnen. „Sie schaffte es auch, mehr als 30 Jahre nach dem Unglück noch einmal Zeitzeugen zu finden und so für ein Gespräch aufzuschließen, dass die Katastrophe von damals noch einmal sehr ‚lebendig‘ wird.“ Singer hole damit das Leid und das Trauma der unmittelbar Betroffenen wie auch der damals Verantwortlichen und beteiligter Rettungskräfte in die Gegenwart. „Akribisch arbeitet sie auch das Versagen von Veranstaltern und politisch Verantwortlichen auf.“ Das Besondere an Singers Arbeit sei zudem ihre Recherche zu den Lehren aus der Katastrophe von 1988 für heute.

Mit dem zweiten Preis wurde Lena Heising (Kölner Stadt-Anzeiger) für ihre investigativen Recherchen zu einer Vergewaltigungsserie im Evangelischen Klinikum Bethel ausgezeichnet. „Die Qualität ihrer Arbeit zeigt sich nicht nur in der Menge der gesammelten Fakten, sondern vor allem auch in ihrer präzisen, informativen und empathischen Schreibweise“, heißt es in der Begründung der Jury. Heising habe „mit ihrer ebenso mutigen wie sorgfältigen Arbeit vorbildlich gezeigt, was Qualitätsjournalismus ausmacht“. Besonders hob die Jury zudem hervor, dass die betroffenen Frauen dank Heisings Arbeit endlich von den begangenen Sexualstraftaten erfahren hätten und der Fall durch die Hartnäckigkeit der Berichterstattung zum Thema im Justizausschuss des NRW-Landtags wurde.

Der dritte Preis ging an Andrew Müller (freier Journalist) für seinen Report „Noah will sterben“, der zuerst im Magazin „Go“ der Reportageschule Reutlingen und später auch auf zeit.de erschien. Müllers Text über einen assistierten Suizid rekonstruiere den letzten Tag im Leben eines 23 Jahre alten querschnittsgelähmten Mannes „ungemein präzise, facettenreich, sensibel und umsichtig“, lobte die Jury. „Andrew Müllers Report nimmt Anteil, aber nicht Partei. Das hat Größe.“ Überdies ziele der Text mitten hinein in eine aktuelle gesellschaftspolitische Debatte. „Wer glaubt, doch längst zu wissen, was von Sterbehilfe zu halten ist – der sollte Andrew Müllers Report lesen. Die Welt – oder das eigene selbstgebastelte Weltbild – sieht nach der Lektüre anders aus. Im besten Fall reicher.“

Christian Hümmeler, kommissarischer Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, erklärte: „Wir sind stolz darauf, dass die unabhängige Jury entschieden hat, dass der Beitrag meiner Kollegin Lena Heising bei dieser Konkurrenz den zweiten Platz belegt. Dies ist Auszeichnung und Ansporn zugleich für die Redaktion. Der Kölner Stadt-Anzeiger steht für hochwertigen Lokaljournalismus auf allen Kanälen.“

Für den diesjährigen Preis wurden mehr als 40 Beiträge eingereicht. Der Preis fördert junge Journalistinnen und Journalisten, die sich auch im Zeitalter von Meinungswettstreit und Zielgruppenkommunikation dem klassischen journalistischen Grundsatz verpflichtet fühlen: Vor der Information steht die gründliche Recherche.

Die bleibende Bedeutung klassischer journalistischer Grundsätze, insbesondere der hartnäckigen, akribischen Recherche betonten auch die  Herausgeber des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Isabella Neven DuMont und Christian Dumont Schütte. „Zugleich kommt den Lokal- und Regionalzeitungen auch und gerade im digitalen Zeitalter mit einer schier endlosen Fülle an Fakten, aber auch Fakenews in den Tiefen des Netzes eine wichtige Rolle für demokratische Teilhabe und für die Bewahrung der Pressefreiheit zu“, sagten sie. Der „Kölner Recherchepreis“ solle junge Journalistinnen und Journalisten ermuntern, „in diesen ebenso schnellen wie meinungsoffensiven Zeiten die Kultur des Dicke-Bretter-Bohrens zu pflegen.“ Der Preis sei aber auch zu verstehen als „ein Merkposten, eine Mahnung explizit an Lokal- und Regionalzeitungsverlage, dass wir aufwändige Recherchen so gut es irgend geht erhalten, fördern, ja womöglich sogar ausbauen“.

In einem Impulsvortrag empfahl die stellvertretende Chefredakteurin des „SZ Magazin“, Lara Fritzsche, eine Neubestimmung des Kontakts zwischen Medien und ihrem Publikum. An die Stelle eines „Vertrauensverhältnisses“, mit dem im Zweifel die Erwartung blinder Gefolgschaft oder Ergebenheit verbunden sei, sollten der Wunsch und die Bereitschaft zu Dialog, kritischer Auseinandersetzung, Widerspruch, Perspektivenvielfalt und selbstkritischer Infragestellung treten. „Sich reiben ist eine gesunde und vielleicht einfach nur die zeitgemäße Art, Vertrauen zu haben“, sagte die 39-Jährige. „Was wir doch wollen, wenn wir sagen, dass wir das ‚Vertrauen‘ der Leserinnen und Leser gewinnen oder zurückgewinnen wollen: Dass sie auf uns zukommen, interessiert bleiben und im Austausch.“